Städtische Galerie
Vergangenheit
Der Wunsch nach einer Galerie in der Stadt Böblingen kam ursprünglich aus der Mitte der Bürgerschaft. Seit spätestens Ende der 1970er-Jahre formierte sich zunächst aus den eigenen Reihen einiger Böblinger Bürger*innen der Wille und die Initiative zu einem Kunstmuseum vor Ort, dem seit Mitte der 1980er-Jahre von der Stadtverwaltung mit der Bewilligung eines Aufbaus einer bedeutenden Kunstsammlung entsprochen wurde.
Unter der beratenden Mitarbeit von renommierten Kunstwissenschaftler*innen, Historiker*innen sowie kulturbeflissenen Bürger*innen wurde die Ausrichtung der Sammlung um das regional verortete Gesamtwerk von Fritz Steisslinger beschlossen und mit einem Weitblick konzipiert, der hinsichtlich des Alleinstellungsmerkmals damals wie heute in der Fachwelt und beim Publikum eine große Anerkennung genießt. Der Wortlaut zur Festsetzung des Sammlungsschwerpunkts, wie er in den Statuten des Galerie-Gründungsdokuments vom 18.02.1986 (laut Gemeinderatsvorlage) zusammengefasst und zu entnehmen ist:
„Für Böblingen bietet sich aufgrund bisheriger Bestände (Steisslinger-Sammlung) als Sammlungsschwerpunkt die Spezialisierung auf die Kunst der Klassischen Moderne Südwestdeutschlands (im 20. Jh.) an und dabei besonders die Eingrenzung auf die Künstler der Stuttgarter Akademie, denn damit würde Böblingen in der Museumslandschaft Baden-Württembergs eine einzigartige Position einnehmen.“
Im Jahr 1987 erfolgt die Unterbringung der Galerie und ihres von der Stadt finanzierten Sammlungsgrundstocks im vom vielfach preisgekrönten Stuttgarter Architekten-Atelier Lohrer geplanten Gebäudeensemble, bestehend aus dem rekonstruierten wie renovierten Wiederaufbau der mittelalterlicher Zehntscheuer und dem neu gebauten, im Stil der Zeit postmodern gestalteten Glas-Stahl-Anbau. Die Galerie wurde genau am 8.5.1987 an ihrem neuen Präsentationsort mit der Ausstellung zur “Stuttgarter Sezession” feierlich und fulminant eröffnet. Ministerpräsident Lothar Späth hielt die Begrüßungsansprache und sprach der Stadt Böblingen seinen höchsten Dank aus dafür, „ dass sie es als reiche Industriestadt übernehme, ein wichtiges Kapitel schwäbischer Kunst so repräsentativ darzustellen“.
Der unmittelbare Erfolg war zum einen der Gründung des noch heute höchst aktiven und an Mitgliedern stetig wachsenden “böblinger galerievereins” zu verdanken. Zum anderen war es gelungen, mit kunsthistorischem Sachverstand nach einem geeigneten und in der deutschen Kunstgeschichte wissenschaftlich noch wenig präsentierten Sammlungsschwerpunkt zu fahnden, den man zudem im Umfeld des Schaffens des Wahl-Böblingers Fritz Steisslinger (1891 geboren in Göppingen, 1957 gestorben in Tübingen) verorten konnte. Das Sichtbarmachen der “verlorenen Generation”, den unterschätzten württembergischen “Expressiven Realisten” oder den avantgardistischen Künstlergruppen von 1913 bis 1963 im engeren Umkreis der Stuttgarter Akademie sowie das durch intensive Recherche und gewissenhafte Aufarbeitung möglich gewordene Schließen von damals noch reichlich vorhandenen Lücken auf dem Gebiet der Kunst in der südwestdeutschen Region waren von Anfang an die großen Zielsetzungen, welche die Galerie sich bis heute zur Hauptaufgabe macht, und womit sie es seither schafft, zu einem Geheimtipp in der Region zu avancieren.
Gegenwart
Seit ihren Anfängen konzentriert sich die Sammlungsstrategie der Städtischen Galerie konsequent auf Gemälde, Grafiken, Objekte und Skulpturen von fortschrittlich gesinnten Künstlerinnen und Künstlern, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts hauptsächlich im weiteren Einzugsbereich der kulturell aufstrebenden Metropole Stuttgart sowie im engeren Umfeld der dort ansässigen Kunstakademie, zu Gruppen zusammengeschlossen haben. Dementsprechend reflektiert das Galerieprogramm ein breitgefächertes und vielfältiges Panorama an Kunststilen, die sich in der württembergischen Kunstlandschaft seit Anbruch der Moderne im Spannungsfeld von künstlerischen Aktionen und Reaktionen herauskristallisierten. Neben den unsichtbaren wie unabdingbaren, hinter den Kulissen stattfindenden Tätigkeitsgebieten Konservieren, Recherchieren, Erforschen und Sammeln nach fundiert wissenschaftlichen Kriterien besteht eine der Hauptaufgaben einer musealen Einrichtung darin, Exponate zu präsentieren und damit deren Bedeutung sichtbar zu machen.
Ein nicht zu unterschätzender Mehrwert besteht darin, die Ausstellungsstücke und -aspekte in neuen Ansätzen an die Menschen zu vermitteln, mit frischen Ideen aus vielfältigen Blickwinkeln zu beleuchten und dadurch in spannungsvolle narrative Kontexte zu stellen. Indem eine breite Öffentlichkeit nicht nur erreicht, sondern zugleich unverbrauchte Denkanstöße und horizonterweiternde Erkenntnisse gegeben werden, gelingt es zudem, das Vermächtnis und die Verdienste, teilweiser “verlorener” und “verschollener “ Künstlergenerationen dauerhaft vor dem Vergessen zu bewahren.
Die Dauerausstellung der Städtischen Galerie Böblingen zeigt anhand exemplarischer Werke ein Wechselspiel zwischen tradierten und modernen Kunstauffassungen, die sich insbesondere im südwestdeutschen Raum abzeichneten: zum einen das Nebeneinander von spätimpressionistischen und den gleichzeitig aufkommenden expressionistischen Tendenzen und deren synthetischem Miteinander im für die hiesige Region typischen “Expressiven Realismus”; zum anderen die in Mannheim ausgehende “Neuen Sachlichkeit” im Gegeneinander mit den frühen Wegen der Abstraktion oder den auf Funktionalität gestützten Bauhaus-Gedanken, welche mit den schrittmachenden und gattungsüberschreitenden Kunstverständnissen von Adolf Hölzel an der Akademie und Bernhard Pankok an der Kunstgewerbeschule ihren Anfang nahmen. So beleuchtet die ständige Präsentation im Zeitraum von der Jahrhundertwende bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts einen faszinierenden Ausschnitt an facettenreichen Ausdrucksformen zwischen figurativen, impressionistischen, expressiven, veristischen, kubistischen, lyrisch-abstrakten, gestischen, informellen, konzeptionellen sowie konstruktiven Kunstströmungen. Einer der großen Schwachpunkte ist, dass in der gegenwärtigen Situation in der Zehntscheuer nur Bruchteile der Sammlung sichtbar werden.
Zukunft
von der “Städtischer Galerie” zum “Kunstmuseum” der Stadt Böblingen
Um weiterhin eine gemäß den abwechslungsreichen Anforderungen gute Galeriearbeit (mit den anfallenden Aufgaben wie sammeln, erforschen, bewahren und vermitteln) zu garantieren, in Teilen weiter auszubauen und damit zukunftsfähig zu machen, um auch den steigenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden (Stichworte Digitalisierung, Museumspädagogik) ist es unumgänglich, den Status Quo, und damit den derzeitigen, kaum zufrieden stellenden Ist-Zustand einer gemeinsamen Unterbringung von Galerie und Bauernkriegsmuseum in der Zehntscheuer, dringend aufzulösen. Er eröffnet für keine der beiden Institutionen Entwicklungsperspektiven. Eine weitere parallele Nutzung des Gebäudes durch beide Institutionen bedeutet Stillstand, eine Trennung der beiden Einrichtungen ist für die Weiterentwicklung beider Häuser essentiell.
Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zur Städtischen Galerie finden Sie hier:
www.staedtischegalerie.boeblingen.de